Ein 42 km langer Fluss vom Quellgebiet bis zur Mündung

15. Juli 2023, Start: 8:00 Uhr

Bei diesem Gruppenlauf ist Marathonerfahrung, eine persönliche Einladung des TV Hasperbach sowie ein Trinkrucksack und Kleingeld für zwei öffentliche Verpflegungspunkte notwendig. Über ein Jahr im Voraus geplant, brechen wir um 7:15 Uhr mit fünf Läuferinnen, 16 Läufern, einer Walkerin, einem Walker, einer Radbegleiterin und einem Radbegleiter im gecharterten Linienbus gemeinsam in Hagen-Eckesey auf, um uns zum Start nach Halver-Burg ins Quellgebiet der Ennepe fahren zu lassen. Sieben TVH-Mitglieder begleiten dabei unsere Gäste.

Nach Einweisung in den Ablauf erfolgt der Start überpünktlich um 7:59 Uhr. Die Walker bewältigen die Strecke autark, getrennt und nach dem Läuferfeld. Die Räder begleiten die Laufgruppe. Es geht insgesamt durch sechs Stadtgebiete: Halver, Breckerfeld, Radevormwald, Ennepetal, Gevelsberg und Hagen. Die Ennepe fließt dabei nicht durch Radevormwald, aber aufgrund einer dauerhaften Wegsperrung eines Teils des Talsperre-Uferwegs müssen tatsächlich wenige Meter „durch“ Rade gelaufen werden.

Bei Km 22, Km 30 und Km 42 sowie im Ziel befinden sich Verpflegungspunkte (VP). Zudem pausiert die Marathongruppe an historisch wichtigen Punkten für kurze Erklärungen. Gänzlich ohne Anstiege kommt auch dieser Landschafts- und Citylauf nicht aus, wobei die negativen Höhenmeter deutlich überwiegen: Die Ennepe entspringt auf 425 m und mündet auf 100 m Höhe. Das Wort Ennepe setzt sich aus den beiden altgermanischen Begriffen „en“ = schnell fließend und „epe“ = Fluss zusammen. Mit 7,5 m/km hat die Ennepe das stärkste Gefälle unter den größeren Sauerlandflüssen, was auch die Anzahl von zu Blütezeiten ca. 300 durch Wasserkraft angetriebene Betriebe am Flusslauf erklärt.

Einen Kilometer nach dem Start, an der Tafel im Quellgebiet, bereits erster Halt mit Erklärungen zu Halver und zur 1525 von umherziehenden Banden geschleiften Wasserburg aus dem 7. Jh. an der Kreuzung der alten Heerwege Köln-Soest/Hagen-Siegen, nach der der Ortsteil Burg seinen Namen erhielt. Nach nur einem weiteren Kilometer streift das Lauffeld schon durch den romantischen Traildschungel der Wilden Ennepe, um kurz danach mitten im Wald ein kurzes Stück die Trasse der ehemaligen Wuppertalbahn (Halver-Radevormwald-Wuppertal) zu nutzen. Mit Bau der Wuppertalsperre 1982 versank ein Teil der Strecke im Wasser und Halver verlor seinen Bahnanschluss.
Nach ca. 5 km erreichen wir an der noch sehr schmalen Ennepe überraschenderweise den ersten großen Industriebetrieb, die Fa. Gustav Schürfeld, die 1862 mit der Herstellung von Holzbohrern begonnen hat. Zum Schmieden größerer Werkstücke reichte vermutlich die Wasserkraft der oberen Ennepe in diesem Bereich nicht aus. Die jetzige Betriebsgröße ist nur durch Erfindung der Dampfmaschine erklärbar. Es folgt der „Mühlenbereich“ der Ennepe mit Büchermühle und der noch im Schaubetrieb laufenden Löhrmühle, mind. von 1566, bei Km 8. „An diesem Haus ist nichts gerade“, lautet einer der Läuferkommentare zur ältesten noch stehenden Mühle am Ennepelauf. Bei Km 13, auf dem Damm des vogelreichen Vorstaubeckens der Ennepetalsperre, verlassen wir Halver und befinden uns nun, bis zum ersten VP, bei Km 22 in Ennepetal-Burg, sowie einem kurzen Rade-Intermezzo über dem Vorstaubecken, auf Breckerfelder Stadtgebiet. Breckerfeld ist die kleinste der fünf Städte an der Ennepe, aber mit Stadtrechten seit 1396 die älteste und als Hansestadt ehemals historisch reichste/bedeutendste. In Osenberg, im heutigen Vorstaubecken der Talsperre wurde 1825 eine Pulvermühle gebaut. 1895 flog diese durch einen Blitzeinschlag ins Magazin mit zwei weiteren Nebengebäuden komplett in die Luft. Eine gewaltige Explosion erschütterte das ganze Tal und in Radevormwald wurde die Erschütterung als Erdbeben gedeutet.
Bei Km 19 erreichen wir die mächtige, 51 Meter hohe Staumauer der Talsperre, 1905 eingeweiht und 1902 bis 1903+1 von 1.300 italienischen und kroatischen Arbeitskräften erbaut. Stefan berichtet ausführlich. Wir stürzen uns die Serpentinen der Mauer hinab, an der ehem. Walkmühle vorbei und es geht auf einem Traumtrail, den einige schon aus anderer Richtung von Rund um Ennepetal kennen, hinter dem Ahlenbecker Teich her. Nach einem Feldweg treffen wir auf die L699, die uns nun auf Ennepetaler Stadtgebiet von Ennepetal-Burg, mit der Burgermühle, bis 1965 in Betrieb, jetzt Restaurant, und dem ältesten und am längsten durchgängig bewohnten Haus Ennepetals, 1468 erstmals erwähnt, aus an vielen ehemaligen und noch in Betrieb befindlichen Hammerwerken vorbei führt. Kurz hinter Burg in Saale stand um 1850 eine Pulvermühle, deren Magazin sich aus Sicherheitsgründen, s. Osenberger Pulvermühle, oberhalb im Wald Richtung Brenscheid befand. Nach deren Abriss (durch eine Explosion verlor ein Arbeiter sein Leben) wurden hier Gewächshäuser über eine durch Wasserkraft betriebene Turbine bis in die 1970er Jahre beheizt. Es folgen die noch existierende Freiformschiede Krenzer Hammer in Ennepetal-Peddenöde, in der ab 1914 Schlittschuhe hergestellt und nach Russland exportiert wurden, der Ahlhauser Hammer, 1592, das Gut Ahlhausen, 1080, ehem. mit Mautstation, Mühle, Hammerwerk und Bleicherei. Oberhalb der Ennepe blicken wir hinauf auf den Bilsteiner Berg, aus dem bereits vor 1600 Eisenerz gewonnen wurde und noch heute auf einem 3,5 km langen aber steilen Rundweg von Ennepetal-Oberbauer zahlreiche alte Stollenmundlöcher bewundert werden können. Direkt nach dem Gut Ahlhausen passieren wir das Klutertbad und danach die Mündung der Hülsenbecke mit dem Naherholungsgebiet Hülsenbecker Tal.
In Ennepetal-Altenvoerde gelangen wir zunächst unterhalb des Rathauses zur Fa. CDP, Carl Dan. Peddinghaus, 1839, heute Bharat Forge Ltd, Indien. Ab 1900 Marktführer im Bereich Bergbauzubehör (Äxte, Beile, Hämmer, Hacken), ab 1927 Zulieferer für Bahn- und Automobilindustrie. An diesem Standort befand sich im 17. Jh. auch die Hütte, die das Eisenerz aus dem oberen Tal der Ennepe veredelt hat. Kurz danach gelangen wir zum zweiten VP bei Km 30, einer Tankstelle hinter dem Industriemuseum Ennepetal.
Wo bisher in Pulvermühlen und kleineren Hammerwerken entlang der L699 überwiegend Produkte für die Landwirtschaft wie Sicheln, Pflüge, Schaufeln, Hacken, Sägen, Pfannen, Schlösser, Ambosse, etc. geschmiedet oder geschliffen wurden, wird es ab nun noch einmal deutlich industrieller und produktionsintensiver. Zuvor geht es noch mitten durch das gelbe Haus Ennepetal aus den 1970er Jahren, direkt auf den Eingang der Kluterthöhle mit einem sechs Kilometer langen, erforschten Gängesystem und dem Denkmal des Fuchsschwanzhalters davor zu. Wenige Meter weiter, direkt am Zufluss der Heilenbecke (Quelle in Radevormwald) liegt die Fa. ABC, Altenloh, Brink & Co., 1823, die Erfinder von Conny Reimann, äh, der Spax Schraube (1967) sind. Spax ist ein Akronym für SPAnplattenschraube mit Kreuzschlitz (X).

Bei Km 33, am Kruiner Tunnel, 1848 von Friedrich Harkort, 1793-1880, „Vater des Ruhrgebiets“, erbaut, gelangen wir auf Gevelsberger Stadtgebiet und wechseln von der Oberen zur Unteren Ennepe. Auf dem Kruiner Tunnel verläuft die Bahnstrecke Elberfeld-Hagen-Dortmund, eine der wichtigsten und am meisten befahrenen Eisenbahnstrecken Deutschlands. Durch den Tunnel fährt die Ennepetalbahn, im Volksmund „Teckel“ genannt. Hinter Werk 2 der Fa. ABC geht es über die versteckte, 600 Meter lange „Seufzerallee“, einen schmalen Pfad zwischen Ennepe, ehemaligen Hammerteichen hindurch und Schleifsteinen des ehemaligen Gevelsberger Schleifkottens, 1372, vorbei. Die 2,5 m hohen Schleifsteine schliffen sich in Betrieb nach ca. drei Monaten bis auf einen kleinen Rest komplett ab.
Im Zentrum von Gevelsberg biegen wir neben der Sparkasse auf den Radweg zum Ennepestrand ab. Wo sich heute Sparkasse und gegenüber die Apotheke befinden, waren um 1900 eine Knochenmühle und eine Gerberei. Wer schon für den Hypothekantrag in der Sparkasse gesessen hat, erkennt den Zusammenhang. Es hat unsäglich gestunken und die Pferdegespanne haben gescheut, hier die Ennepe zu überqueren. Auf dem Gelände des heute schön hergerichteten Ennepebogens befand sich nach Berlin das zweitälteste E-Werk Deutschlands (1890-1976) und dank Stromerzeugung durch Kohle noch ein weiterer Schmutzfleck im Stadtkern. Am ehemaligen Standort erinnern ein 110-kV-Schalter und zwei Alltagsmenschen der Künstlerin Christel Lechner noch an die Stromproduktion aus Kohle mitten in der Stadt.
Direkt nach dem Ennepebogen laufen wir an Fabrikhallen der ehem. Fa. Wilhelm Krefft AG, 1842, später Bauknecht, in Hochzeiten 3.000 Mitarbeiter, vorbei. Bekannt für Küchenherde, von denen die ersten heute noch in Freilichtmuseumsküchen zu bewundern sind, endete die Produktion 1982. Bei Km 35,5 laufen wir an der Zentrale der AVU, dem örtlichen Energieversorger und auch schon damaligen Betreiber des Gevelsberger E-Werks, vorbei. Bis 1963 hieß die AVU allerdings noch AGFU und musste damals nach Klage der Fa. Agfa umbenannt werden. Bei Km 37 geht es am ehem. Rittergut Rocholz, Haupthaus von 1696, aber zugehöriges Bleichhaus bereits 1367 erwähnt, vorbei. Bei Km 38,5 passieren wir die Fabrikation von intertrac. Ehemals befand sich hier der Poeten Hammer, 1705. Zu Hochzeiten beschäftigte die Fa. Intertractor 1.000 Mitarbeiter. Kurz vor Km 40 queren wir die Reste der 2021 durch das Ennepe-Hochwasser zerstörten, 700 Jahre alt gewordenen Brücke am Vogelsang und sind von nun an auf Hagener Stadtgebiet.
Es geht hinter dem einzigen Lebensmittelbetrieb im Bereich der unteren Ennepe, der ehem. Brandt-Zwieback-Fabrik, 1912, heute zu Teilen ein Einkaufszentrum, vorbei. Dank Fördermitteln wurde die Produktion 2000 nach Ohrdruf, Thüringen, ausgelagert. Seit 2019 ist die Verwaltung wieder an ihrem alten Standort in Hagen-Westerbauer ansässig. Nach 41,5 km erreichen wir den Gründungsbetrieb der Harkortschen Fabriken. Heute beherbergt die schöne Ziegelstein-Halle eine Schreinerei. Nicht unweit steht in Hagen-Westerbauer das Haus Harkorten, 1373, der ehem. Wohnsitz Friedrich Harkorts. Hier querte auch die erste Eisenbahn Deutschlands, die Schlebusch-Harkorter Kohlenbahn, 1829, von Silschede bis zur Harkortschen Fabrik. Wobei der Begriff „Eisenbahn“ trügt, denn die Eisenwaggons auf eisernen Schienen wurden bis 1876 noch von Pferden gezogen.
Ein kurzes Stück weiter, auf Höhe der ehemaligen Hasper Hütte, 1847-1972, die zu Blütezeiten 7.000 Beschäftigte hatte, befindet sich heute die Bezirkssportanlage, in der der TV Hasperbach (das sind wir) trainiert. Es gibt ein leckeres, edles Hagener Pils, das „Hasper Gold“ der Vormann Brauerei aus Hagen-Dahl. Das ursprüngliche Hasper Gold war allerdings nicht so edel, denn so wurde der gelbbraune Staub genannt, der sich aus dem aus den Thomaskonvertern aufsteigenden Rauch über den Stadtteil Haspe legte. Am Kiosk VP bei Km 43 ergießt sich goldenes in Läuferkehlen und nebenan der Hasperbach, Namensgeber unseres Vereins, in die Ennepe, unser Hauptthema des Tages. Der Hasperbach entspringt südlich von Breckerfeld-Waldbauer einer Wiese, bevor er nach zwölf Kilometern in Hagen-Haspe in die Ennepe mündet. Aber das ist ein anderer Lauf.
Ein Stück nach dem Hasper Hammer, heute ein Theater, geht es aufgrund eines noch nicht fertig gestellten Radwegstücks bei Km 44,5 einen letzten, unangenehmen Anstieg hinauf durch den Schrebergarten oberhalb der Fa. Hawker in Hagen-Wehringhausen, ehem. Varta (Akronym für Vertrieb, Aufladung, Reparatur Transportabler Akkumulatoren), ehem. AFA (Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems), Hersteller von Akkus für U-Boote, Gabelstapler und Batterien, der seine Produktion mittlerweile nach Polen ausgelagert hat und für die ein großer Ultraläufer unseres Vereins, Bernd Rohrmann, noch bis zu seinem viel zu frühen Tod im Mai diesen Jahres arbeitete, vorbei. Vorbei.
Der letzte Kilometer auf dem offenen Radweg der Hinterfahrung des Hbf. Hagen in Eckesey bildet den würdigen Zieleinlauf. Es geht durch das Tor der Fa. Bauer & Schaurte, ehem. Funcke und Hueck, 1844, erste Dampfmaschine auf Hagener Boden. Bauer und Schaurte waren 1936 die Erfinder von Inbusschlüssel und -schraube, Inbus = INnensechskant Bauer Und Schaurte.
Über verwilderte Betonplatten, zwischen verfallenen Fabrikhallen, einen wahren „Lost Place“-Pfad entlang, geht es unmittelbar zur Mündung der Ennepe in die Volme (Titelbild). Wobei es an dieser versteckten Stelle so wirkt, als fließe die Volme in die Ennepe und nicht umgekehrt. Letztendlich egal, alles fließt nach nicht einmal drei weiteren Kilometern zwischen Hengsteysee, 1929 gestaut, und dem nach Friedrich Harkort benannten Harkortsee, 1931 gestaut, in die Ruhr, diese in Duisburg in den Rhein und dieser bei Hoek in die Nordsee. Aber das sind andere, teilweise noch ruhmreichere Laufkapitel als unser heutiges Abenteuer.

Zum Abschluss erhalten alle Finisherinnen und Finisher eine von unserem Lauffreund Hans erstellte Urkunde, um die auf 45,5 km erbrachte Laufleistung entsprechend zu würdigen.

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