Das Original, von Marathon nach Athen
So., 11.11.2018, 9:15 Uhr
Freitag, 09. November 2018: Sechs gut gelaunte Hasperbacher Lauftreffler brechen im Morgengrauen Richtung Griechenland auf. Das Ziel: Athen, bzw. der Athen-Marathon. Nach erträglichen Verspätungsminuten der Deutschen Bahn wird der Düsseldorfer Flughafen erreicht. Über Zürich geht es mit der Swiss Air auf nach Athen-Venizelos. Auf dem Flug von Düsseldorf nach Zürich machen die „Stars“ des FC Zürich mit uns Bekanntschaft, nachdem sie am Vorabend gegen Bayer Leverkusen 0:1 im Eurpopapokal unterlagen. Noch fragt niemand nach Autogrammkarten. Nach kurzem Aufenthalt im Land der Toblerone sitzen wir vor Lauffreude strotzend im richtigen Flieger in die griechische Hauptstadt. Von einem Taxi werden wir zur noch zentral gelegenen Unterkunft gebracht. Das Appartment ist perfekt: Drei große Zimmer, zwei Bäder und eine Küche. In der Nähe der Metrostation am Victoriaplatz gelegen, haben wir es von hier aus nie weit, um die zahlreichen Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erkunden. Am ersten Abend brechen wir also von hier aus auf, um die Gegend zu erkunden und um uns mit ausreichend Getränken zu versorgen – Sportlergetränken natürlich, das versteht sich von selber. Jetzt kann es losgehen und unsere Euphorie kennt kaum Grenzen, sodass wir am Abend noch ausreichend Flüssigkeit zu uns nehmen. Der nach Anis anmutende Beigeschmack mancher Getränke entlarvt sich an den kommenden Tagen noch als wahres Wundermittel. Nach einer kurzen Nacht mit unterschiedlich langen Schlafpausen mancher Mitreisender starten wir den Samstag mit Abholung der Startunterlagen auf der Laufexpo in Piräus. Der Ansturm unserer Laufkollegen auf der beeindruckend großen Messe aus der ganzen Welt ist überwältigend. Zum ersten Mal auf dieser Reise wird uns klar, was für ein gigantisches Laufevent uns erwartet: Die Mutter aller Marathonläufe – The Authentic! Trotz der Teilnahmeerfahrungen an diversen internationalen Läufen sind auch unsere Lauf-Dinos Dieter und Uwe tief beeindruckt von der sich darbietenden Kulisse. Mehr oder weniger trainierte Menschen tummeln sich an den Ständen der Messe, um die ein oder andere Besorgung zu erledigen. Erster Teilerfolg am Nachmittag: Wir haben unsere Startnummern! Im Anschluss statten wir der Akropolis einen Besuch ab. Es kann schließlich nicht schaden, den ein oder anderen himmlischen Beistand an diesem historischen Ort zu erbeten. Einst war dies der Ort, an dem die Athener ihre Götter verehrten. Mittlerweile zieht der Götterberg Touristen aus aller Welt an. Wir sind schwer beeindruckt von der Größe der Stadt, dem orientalisch-europäischen Ambiente und der kulturellen Vielfalt der zahlreichen mykenischen Kultstätten der griechischen Antike, die wir am Fuße der Befestigungsanlage entdecken.
Unser abendliches Domizil ist eine Fußballkneipe am Victoriaplatz. Für die Borussen unter uns ein außerordentlich zufriedenstellendes Ergebnis, denn der BVB schlägt Bayern 3:2. Wir trinken aus, brechen zur Unterkunft auf und besprechen den Plan für den Tag der Wahrheit. Das Fieber steigt, letzte Vorbereitungen werden getroffen, Kleidung und Schuhe für den Marathon rausgelegt, Muskeln eingerieben und einige von uns bringen schon am Abend vor dem Rennen ihre Startnummer am Laufshirt an. Die Stimmung ist hervorragend und dem ein oder anderen merkt man tatsächlich ein Quentchen Nervosität an. Nach einer kurzen Nacht ist es soweit: Der Tag des Marathons steht an. Der Tag, an dem sich auf der Strecke zeigen wird, ob das monatelange Training ausgereicht hat. Der Tag, an dem wir uns mit 18.745 anderen Läufer/innen messen. Wir sind nervös! In aller Herrgottsfrühe brechen wir auf in Richtung Omoniaplatz. Zusammen mit anderen Läufer/innen aus der ganzen Welt(!) stehen wir Schlange, um einen Platz in einem der unvorstellbar vielen Busse zu ergattern. Unser Bus startet in Richtung Marathon, es gibt kein Zurück mehr. Entlang der Strecke aus der Stadt heraus wird uns bewusst, dass uns ein anspruchsvolles Profil erwartet. Noch immer ist die Sonne nicht aufgegangen, aber an Schlaf ist auf der Busfahrt nicht zu denken. Der Veranstalter sorgt in Endlosschleife über Lautsprecher sehr eindringlich dafür, dass wir uns die englischen und griechischen Instruktionen zum Rennverlauf bestens einprägen. Wir erreichen schließlich den kleinen Ort Marathon. In der Nähe dieses historischen Ortes hat 490 v.Chr. die Schlacht bei Marathon zwischen Persern und Athenern stattgefunden, aus der die Athener unter dem Feldherrn Miltiades siegreich hervorgingen. Um die Schlacht bei Marathon rankt sich die Legende des Boten Pheidippides: Der junge Lauffreund soll der Legende nach die Kunde des Sieges vom Schlachtfeld in das ungefähr 40 km entfernte Athen gebracht und nach Überbringung der Nachricht an Erschöpfung gestorben sein. Wir hoffen es besser zu machen. Aus allen Himmelsrichtungen strömen Menschen zum Start. Musik dröhnt aus den Boxen. Die Stimmung ist heiter, der Himmel ohne eine einzige Wolke, nur die Temperatur ist verbesserungswürdig – es ist frühlingshaft frisch. Wir bekommen Plastiktüten zum Überziehen ausgehändigt, um uns bis zum Start um kurz nach 9 Uhr warm zu halten.
Oberhalb des Starts erbitten wir an einer kleinen Kapelle himmlischen Beistand. Die Aussicht ist fantastisch, allerdings ist der kleine Ort Marathon auch eher unspektakulär. Dann endlich, nach langem Warten, begeben wir uns in unseren Startblock – 6. Der Rhythmus der Musik durchdringt jede Faser des Körpers, überall fröhliche Gesichter um uns herum. Die Spannung des bevorstehenden Laufes liegt in der Luft. Wir verabschieden uns von Dieter, der uns netterweise bis zum Start begleitet hat und nun per Taxi den Weg nach Athen antritt. Wir laufen endlich los. Jetzt gilt es, das monatelange Training in eine gute Zeit zu verwandeln. Andi und Uwe gehen mutig voran, Pekka, Hans-Jürgen und ich laufen die ersten Kilometer zusammen. Die ersten Meter laufen sich wie von selbst, getragen von Wellen der Euphorie, die uns entlang der Strecke entgegen schwappen. Menschen reichen uns in alter Tradition Ölzweige und strecken ihre Hände zum Abklatschen aus. Immer wieder hören wir „Bravo, bravo“. In einigen Dörfern herrscht der Ausnahmezustand. Streckenweise ist die uns entgegen schallende Musik so laut, dass man sich die Ohren zuhalten muss. Wir spulen routiniert die Kilometer herunter. Zwölf Kilometer nach dem Start in Marathon erreichen wir die Region nahe der Dörfer Nea Makri und Rafina. Der Rauchgeruch der völlig abgebrannten Landschaft an der dicht besiedelten Küste am Petalischen Golf ist liegt über allem. Die Veranstalter haben mit Spendenaktionen auf die schwere Brandkatastrophe des Sommers 2018 aufmerksam gemacht, indem im Startbereich grüne Buffs verteilt wurden, die nun als Zeichen des Mitgefühls von zahlreichen Läufer/innen hochgehalten werden. Die Stimmung ist entsprechend gedrückt. Schwarz gekleidete Menschen am Straßenrand vermitteln einen Eindruck der Katastrophe. Ganze Dörfer wurden ausgelöscht. Die einst von Pinien und anderen Baumarten gekennzeichnete Region wirkt erdrückend einfältig. Entsprechend der Atmosphäre sind wir einige Kilometer in Gedanken bei den Menschen, die ihr Leben auf tragische Art und Weise verloren haben.
Bis kurz nach Kilometer 31 steigt die Strecke kontinuierlich an. Mittlerweile läuft jeder für sich. Die letzten Kilometer sind fast unerträglich, denn auch die Sonne scheint sehr intensiv, sodass wir uns an fast jeder der alle 2,5 km aufgebauten Versorgungsstationen mit Getränken versorgen. Das Teilnehmerfeld wird von Kilometer zu Kilometer lichter. Dann endlich erreichen wir die Stadtgrenze von Athen. Es sind jetzt nur noch wenige Kilometer bis ins Ziel. Menschen peitschen uns mit Schlachtrufen durch die Straßen der Stadt, immer wieder spornen Trommlergruppen uns zum Durchhalten an. Die letzten Meter bis ins Ziel ziehen sich. Kurve um Kurve bis wir endlich auf die Zielgerade abbiegen. Die Stimmung beim Zieleinlauf ist in Worten nur schwer zu beschreiben. Das U-förmige Panathinaiko-Stadion scheint uns mit offenen Armen zu empfangen. Wir passieren das Eingangstor bei Km 42. Menschen jubeln uns unaufhörlich zu, lachen uns an, klatschen uns ab. Wir haben es tatsächlich geschafft: Das Ziel wird erreicht, wir alle haben durchgehalten, jeder in seinem Tempo und alle im Zeitfenster <30 min. Im Zielbereich klatschen wir ab und freuen uns über alle Maßen, dass wir die Qualen der letzten Kilometer überstanden haben. Jeder Läufer wird mit einer riesigen Medaille geehrt, die sehr kunstvoll gestaltet ist. Gemeinsam beschließen wir nach dem Rennen noch einmal auf die Tribünen des Stadions zurückzukehren, um das Glück des Augenblicks auszukosten. Eine Stunde nach uns erreichen pausenlos zahlreiche Läufer/innen das ersehnte Ziel und die lange Läuferkette reisst noch lange nicht ab.
Die Qualen des Laufs lassen wir auf dem Weg zur Metro schnell hinter uns, wenngleich der Ab- und Aufstieg zur Bahn für manches Stöhnen sorgt. Die Euphorie ist spürbar und wir haben Hunger! Am Abend kehren wir bei einem Inder ein, der erstaunt von unserem großen Appetit ein wenig überfordert mit unseren Bestellungen zu sein scheint. Völlig ausgepowert erreichen wir danach unsere Unterkunft und fallen in einen tiefen Schlaf. Der nächste Morgen beginnt mit einem reichhaltigen Frühstück, das dank Pekka sogar mit frischen Brötchen stattfindet. Den letzten Tag unseres Aufenthaltes verbringen wir mit einem langen Spaziergang quer durch die Stadt zum großen Varvakios-Markt, wo wir Oliven, -öl und andere Mitbringsel für daheim recht günstig erstehen. Zum Abschluss sehen wir uns den berühmten Wachwechsel auf dem Syntagmaplatz an – ein ulkiges Schauspiel, das einen treffenden Eindruck hellenistischer Traditionen vermittelt. Auch der Rückflug mit SwissAir über Zürich nach Düsseldorf am frühen Dienstagmorgen verläuft dank perfekter Planung von Hans-Jürgen reibungslos.
Ergebnis unserer 5 von insg. 18.750 Starter:
Andi Sitterli; Platz 2751; 644. AK-Platz; 76. Deutscher; 3:53:39 h (PB)
Benedict Pavelka; Platz 3959; 859. AK-Platz; 127. Deutscher; 4:04:53 h
Hans-Jürgen Mücke; Platz 4202; 434. AK-Platz; 132. Deutscher; 4:07:24 h
Pekka Unflath; Platz 4880; 506. AK-Platz; 144. Deutscher; 4:13:50 h
Uwe Jürries; Platz 5836; 119. AK-Platz; 167. Deutscher; 4:22:10 h
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