Vier Hasperbacher laufen Marathon in portugiesischer Hauptstadt

So., 15.10.2017, 8:00 Uhr, 32° C

Nach 3h Flug landen Uwe, Hans-Jürgen, Gastläufer Martin und ich Freitag um 15:15 Uhr Ortszeit am Flughafen Lissabon. Von den acht Km bis zu unserer Wohnung fahren wir zunächst mit der Metro nur drei Stationen weit, um von der Laufmesse auf dem Expogelände unsere Starterpacks zu holen. Derweil übernehmen die mit Mietwagen von der Algarve angereisten Rosi und Dieter unsere gemeinsame Wohnung im Bairro Alto, dem Kneipenviertel Lissabons. Nachdem alle dort angekommen sich ihres Gepäcks entledigt haben, geht es durch die extrem belebten Gassen um unser Haus nur wenige Meter weiter in die Tapasbar unserer Vermieterin Raquel. Hier verputzen wir mehrere Stunden lang so viele portugiesische Spezialitäten wie möglich, während direkt vorm Eingang die Standseilbahn von 1892, Elevator da Bica, im 1/4h-Takt auf und ab fährt. Leider helfen Hans-Jürgen und mir auch die Sagres, Caipis und Ginjinhas nicht gut in den Schlaf: Vor der Kneipe unter unserem Fenster wird bis 4 Uhr lautstark gefeiert, 5:30 kommt die Müllabfuhr, ab 6 fährt wieder die Tram.
Am Samstagmorgen, mein Fitnesstracker bezeugt den neuen All-Time-Rekord von nur 100 min „Schlaf“, steigen wir in selbige eléctrico 28 und unternehmen eine empfehlenswerte Stadtrundfahrt: Die Fahrt in den elektrischen Trams von 1930 erinnert durch enge Gassen, nahen Achsstand und einfache Holzsitze an Fahrten mit der „wilden Maus“, einem Jahrmarkts-Fahrgeschäft. Mittags besuchen wir das Castelo de São Jorge, eine über 1100 Jahre alte, maurische Festungsanlage im Alfama-Viertel mit tollem Ausblick über die ganze Stadt, die Ponte 25 de Abril und die Cristo Rei Statue am Tejo-Ufer gegenüber. Am Nachmittag besuchen wir unten in der Innenstadt im Baixa-Viertel am Handelsplatz den „Wines of Portugal Tasting Room“ mit Weinautomaten zum Selbstzapfen; ein guter Tipp von Sophia! Samstagabend zurück im Bairro Alto folgen wir wieder einem Tipp Raquels und genießen Fisch, diesmal direkt bei uns in der Straße.

Der Marathon:
Am Sonntagmorgen klingelt der Wecker schon um 5 Uhr. Nach den üblichen Vorbereitungen geht es herrlich ausgeschlafen und in wenigen Minuten Fußmarsch hinab zum Bahnhof Cais do Sodre. Um 6:20 Uhr sitzen wir im Zug zum Start im Badeort Cascais, um 7:10 Uhr steigen wir dort noch im Dunkeln, aber schon bei 21°C aus und gehen die ca. 1,5 km durch Innenstadt und am Strand von Cascais entlang zum Startbereich. Nach Kleiderbeutelabgabe müssen wir uns leider um 7:56 Uhr von Dieter trennen, der sich seinerseits auch noch von etwas trennen muss und noch in zugehöriger Schlange vorm Dixi-Klo wartet.
Aufgrund Kontrollen und falscher Blockpunkte auf unseren Startnummern finden wir uns bis zum Start um 8 Uhr alle etwas mehr oder weniger weit hinten im Startfeld wieder: Uwe und Martin sind nach 1,5 Minuten über die Startlinie, Hans-Jürgen und ich nach über zwei und Dieter, wieder entspannt, nach fünf Minuten. Der erste Anstieg beginnt direkt hinter der Startlinie, bis Km 25 geht es immer wieder leicht hinauf und hinab. Kurz nach dem Start begrüßt uns die erste von zahlreichen, guten Rockbands, wie es sich für einen Lauf der Rock’n’Roll-Marathonserie gehört. Die ersten 6,5 Km laufen wir direkt an der Atlantikküste Richtung Westen bis zum Wendepunkt hinter dem Leuchturm am Cabo Raso. Bei Km 4,5 kommen uns die farbigen Läufer der Spitzengruppe entgegen geflogen. Ab Km 5 gibt es, alle 2,5 km und fast immer von Pfadfindern in Kluft, Wasser in 0,3-l-Flaschen; später auch Iso, Bananen, Orangenviertel sowie bei Km 18 und 28 jeweils Gel. Dazu befinden sich mehrere Erfrischungsduschen auf der Strecke. Vom Wendepunkt geht es wieder zurück, am Boca do Inferno, der „Höllenmund“-Klippenschlucht (Km 12), vorbei, zurück nach Cascais (Km 14). Wir laufen weiter durch Estoril (Km 16,5) und am Fort St. Teodósio da Cadaveira (Km 18) vorbei. Im Gegenlicht warten, in der Brandung treibend, Surfer auf die perfekte Welle – ein tolles Bild. Kurz vor 10 Uhr, an der Halbmarathonmarke, brennt die Sonne bereits unerbittlich. Über den Kopf geschüttetes Wasser und leichter Gegenwind bringen etwas Abkühlung. Es geht weiter am Praia de Carcavelos (Km 22), dem schönsten Strand Lissabons, vorbei. Ab Km 25 muss ich den niedrigen deutschen Trainingstemperaturen, Schlafmangel, vinho verde und Hitze Tribut zollen und die 3:45-h-Pacemaker ziehen lassen. Ich denke kurz über die Erfindung eines Höhle-der-Löwen-Läufer-Motivationsgels nach, wäre jetzt brauchbar. Gibt es aber noch nicht. So läuft Hans-Jürgen zu mir auf, von Km 27 bis ins Ziel noch zehn Minuten Vorsprung heraus und landet damit unter den besten 25%. Lass das in Athen keine Eintagsfliege sein, Mücke! Es geht weiter am Forte de São Bruno de Caxias (Km 29) vorbei. Bei Km 35, auf Höhe des wunderschönen Mosteiro dos Jerónimos, dem Hieronymitenkloster, das den Sarkophag Vasco da Gamas beherbergt, auf der linken Seite und dem Torre de Belém und Entdeckerdenkmal auf der rechten Seite beginnen die härtesten fünf Km des Wettkampfs: Auf der schnurrgeraden, breiten Straße brennt die Sonne, es sind mindestens 32°C im Schatten und der ist nicht vorhanden. Mentale Stärke ist gefragt. Ebenfalls gerade nicht vorhanden. Den einzigen, kurzen Schatten wirft bei Km 38 die Brücke des 25. April. Bei Km 40, das Ende vor Augen, mobilisiere ich dank zahlreicher Zuschauer letzte Reserven. Es geht am wunderschönen Mercado da Ribeira (Km 41) vorbei und dann den letzten Km auf Kopfsteinpflaster bis ins gemeinsame Halb- und Marathon-Ziel auf dem 170×170 m großen Praça do Comércio. Auf dem Platz ist es so heiss und voll, dass viele der 4670 Marathon-Finisher ein Bad von den Kaistufen in den von 0,5 Mio. Lissabonern und gefühlt ebenso vielen Touristen und Läufern verdreckten Tejo nicht scheuen. Ich dagegen schwinde sofort glühenden Kopfes mit Eistube in Hand und Mund in ein kühles Loch im Boden, das dank Metro direkt zu unserer Wohnung, unserer Dusche, unserem Sagres führt.
Nachdem alle erschöpft aber glücklich eingetroffen sind und Dusche sowie Siegestrunk genossen haben, fahren wir per Zug nach Carcavelos, um am Nachmittag im 17°C kalten Atlantik unsere Muskulatur zu kühlen und am Strand per Bio-Photovoltaik unsere Akkus zu laden. Abends kehren wir nach Rückfahrt gegenüber vom Bahnhof im Time Out Market des Mercado da Ribeira ein, wo jeder sich von den zahlreichen Spezialitätenständen seine Favoriten auf den Teller und ins Glas ordert.

Am Montag geht es mit Carlos, einem ebenfalls schon vorab über Raquel gebuchten Guide und Fahrer in die Berge, ins 25 km entfernte Sintra, wo wir die Sommerresidenzen der portugiesischen Könige des 14.-19. Jahrhunderts sowie die Villen der durch die Kolonien reich gewordenen portugiesischen Bürger bestaunen und nebenher den Muskelkater aus den Beinen spazieren. Der Ausflug nach Sintra und die unterirdischen Gänge der Quinta da Regaleira waren ein Tipp von Arne, Dank dafür! Nach Mittagessen auf einer herrlich knoblauchduftschweren Iberico-Grillterrasse geht es in einem kurvig-rasanten, rekursiv-verdauungsfördernden Verfolgungsrennen zwischen Carlos und Dieter hinab zum westlichsten Punkt des europäischen Festlands, der Steilküste mit Leuchtturm am Cabo da Roca. Auf der Rückfahrt fahren wir über Belém und Hieronymitenkloster zurück in „unser“ Viertel. Nach kurzem Einkauf essbarer Souvenirs trinken wir in meinem Lieblings-Szenelokal in südländischer Romantik einen Plastikscheidebecher, während im Hintergrund Stuhl auf Tisch gestellt wird. Den Rückweg treten wir um 6 Uhr am Dienstagmorgen an. Pünktlich um 12:35 Uhr landen unsere Trophäen mit uns wohlbehalten in Düsseldorf. Missão cumprida!

Ergebnis:
Hans-Jürgen Mücke; Platz 1168; 135. AK-Platz M50; 26. Deutscher; 3:46:14 h
Pekka Unflath; Platz 1610; 271. AK-Platz M45; 40. Deutscher; 3:56:16 h
Martin Schneider (Gastläufer); Platz 1677; 192. AK-Platz M50; 45. Deutscher; 3:58:23 h
Uwe Jürries; Platz 3632; 230. AK-Platz M55 ; 117. Deutscher; 4:53:11 h
Dieter Schmückert; Platz 3886; 104. AK-Platz M60; 128. Deutscher; 4:59:07 h

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