Königsschlösser Romantikmarathon oder die große Pacemaker Studie
So., 21.07.2019, 7:30 Uhr
Laut ISPO.com gehört der Königsschlösser Romantikmarathon zu den Top 10 Marathonstrecken der Welt. Dabei misst er sich mit Hochkarätern wie London, Boston oder dem „Big Wall Marathon“ in China. Für die Marathonfraktion des TV Hasperbach Grund genug ins Ostallgäu zu reisen. Und weil die Region außer Laufsport noch eine ganze Menge zu bieten hat, warum nicht gleich die Familie mitnehmen und noch eine Woche Urlaub dranhängen?
Gesagt, getan. Schnell sind die Anmeldungen getätigt und passende Unterkünfte im Umkreis von Füssen gebucht. In den Wochen vorm großen Lauf werden die weiteren Aktivitäten akribisch von allen Teilnehmern und Laufbegleitern geplant. Katrin, Kristina, Pekka und ich fahren voller Vorfreude schon freitags von Hagen bzw. Ennepetal in Richtung Süden, während Dagmar und Hans-Jürgen erst samstags anreisen. Samstags haben Kristina und ich uns die Füssener Innenstadt und den Lechfall vorgenommen. Katrin und Pekka können sich bei bestem Sommerwetter der Anziehungskraft der örtlichen Seen nicht entziehen. Dagmar und Hans-Jürgen ziehen es vor, den Samstag mit einer achtstündigen Inspektion der Nord-Süd-Autobahn zu verbringen. Ab Nachmittag beginnt die Startnummernausgabe. Zeitgleich finden ab 15 Uhr noch diverse Kinderläufe, 10-km-Lauf und HM statt. Die Startnummernausgabe läuft sehr unkompliziert und die freundlichen Helfer stehen für Fragen und Anregungen zur T-Shirt-Wahl zur Verfügung. Für die Startgebühr gibt es eine schöne Füssen-Tragetasche mit Neuschwansteinmotiv, ein Finisher Funktionsshirt und eine Portion Nudeln auf der Pastaparty. In der Woche hatte sich Kristina spontan dazu entschieden, über zehn Kilometer an den Start zu gehen. Aufgrund des Mark Forster Konzerts vorm Füssener Festspielhaus am Abend findet der Lauf dieses Jahr ausnahmsweise auf der Halbmarathonstrecke statt, welche einmal durchlaufen wird. Nachdem um 16.30 Uhr bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um 30° C der Startschuss gefallen ist, nutzen wir Marathonis die Gunst der Stunde und verzehren die inkludierten Nudeln. Zur Soßenauswahl stehen dabei Tomatensauce, Carbonara und Pesto. Durchaus genießbar für die meisten unter uns.
Nach besagter Gunst der Stunde wird Kristina von uns im Ziel in Empfang genommen. Durch das Wetter völlig entkräftet aber von der Strecke begeistert. Mit Panorama auf Neuschwanstein, Hohenschwangau und am Schwansee vorbei; ein kleiner Vorgeschmack auf den morgigen Tag. „Schnell“ geduscht (die Duschen befinden sich etwa 500 Meter vom Start-/Zielbereich entfernt in der Eissportarena) treffen wir uns abends am Forggensee, um bei einem Isotonischen der Musik von Mark Forster am gegenüber liegenden Seeufer und dem gleichzeitig stattfindenden Hafenfest ca. einen Kilometer direkt daneben zu lauschen. Die lautere Anlage gibt den Ton an. Es wechseln sich „Einmaaaa“ und „Über den Wolkeeeeennn“ ab. Ein Banause, für wen da nichts dabei ist. Nichtsdestotrotz eine lauschige Sommerabendstimmung mit Livemusik am See. Schade, dass wir schon um 7.30 Uhr an der Startlinie stehen müssen. Sonst könnte man mückenresistent noch Stunden so weiter sitzen. Also packen wir zur Dämmerung die Picknickdecke ein, um Zuhause noch die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
Der Marathon:
Der Marathonmorgen beginnt mit trübem, wolkenverhangenem Wetter. Ein Blick auf die Wetterapp verrät: 90% Regenwahrscheinlichkeit ab 9 Uhr. Läufer machen immer das Beste aus jeder Situation. Na Gottseidank, kein Hitzerennen. Im Vergleich zur Hitzeperiode in den Wochen davor sind 19°C fast die perfekte Marathontemperatur. Danke, Petrus! Am Start angekommen regnet es wie aus Kübeln. Das Läuferfeld tummelt sich im Marathonzelt. Man könnte ja nass werden. 🙂 Hier treffe ich Hans-Jürgen und Pekka, welche auch von perfektem Wetter reden. Daher also meine stets positive Einstellung. Doch etwas von den Laufveteranen gelernt! Vorm Start gibt es noch eine kleine Taktikbesprechung. Alle haben wir uns vorgenommen den Pacemakern zu folgen. Pekka 4:00, Hans-Jürgen 3:45 und ich 3:30 Stunden. Ein guter Plan, da es einfacher ist, sich ziehen zu lassen als ständig die Pace selbst kontrollieren zu müssen. Zehn Minuten vorm Start trudeln die Läufer dann langsam in den Startbereich. Der Regen ist beständig und konstant. Hoffentlich genau wie das spätere Laufen. Noch schnell das obligatorische Mannschaftsfoto und dann fällt auch schon der Startschuss. Die Strecke geht nicht, wie der 10km Lauf, durch die Füssener Innenstadt, sondern führt auf der Hauptstraße aus der Stadt hinaus Richtung Hopfensee. Ich orientiere mich an der Traube um meinen 3:30 Mann. Da mein Kopf zum jetzigen Zeitpunkt noch mit genügen Sauerstoff versorgt wird, wage ich doch einen Blick auf die Uhr. Ja, die Pace stimmt, er macht seinen Job. So verfliegen die ersten fünf Kilometer bis zum ersten VP extrem flach und gefühlt nur bergab. Kurz vorm VP laufe ich kurz vor, damit ich bei der Ausgabe nicht ins Gedränge komme. Das war das letzte Mal, dass ich „meinen“ Pacer sah. So viel zum Thema Taktik. Von Pekka und Hans-Jürgen höre ich später, dass sie gar nicht mit dem Pacer gelaufen sind und bis Km 25 gemeinsame Sache gemacht haben. So viel zum Thema Taktik. Kurz nach dem VP taucht auch schon der Hopfensee im Dunst des Regens auf. Dieser muss einmal umrundet werden. Die Strecke auch hier gefühlt nur bergab. Bei Km 13 trotzt Dagmar dem Regen und feuert uns vor der Tür ihrer Unterkunft an. Respekt! Bei dem Wetter gehen doch nur Verrückte vor die Tür. Einmal den See umrundet, geht es wieder zurück Richtung Füssen. Auch hier gefühlt nur bergab. Wie geht das bitte? Jetzt bloß nicht überpacen. Nein, nicht „Was man hat, das hat man.“.
Wieder in südliche Richtung unterwegs, kann man am Fuße der Alpen im Wolkenschleier schemenhaft Neuschwanstein ausmachen. Wow, was für ein Bild. Gänsehautmoment bereits bei Km 15. Das kann ja heute noch was geben. Wieder auf Füssener Stadtgebiet geht es zum Festspielhaus am Forggensee. Hier hat also Mark gestern sein Bestes gegeben. Kurz vor der Lechbrücke, bei Km 20,5, steht Kristina zum Anfeuern bereit. Der Regen hat mittlerweile aufgehört. So langsam wagen sich weitere Zuschauer und zufällige Spaziergänger an den Streckenrand. Vorbei am gestrigen Picknickplatz geht es am Forggenseeufer bis zur Waldspitze in Brunnen. Auf dem Weg dorthin überhole ich die dritte Frau im Rennen, welche gerade aus den Büschen steigt und gehörig Tempo reduziert hat. Halte durch! Bei mir läuft es noch relativ gut. Nach dem Kap geht es so langsam auf das kleine Highlight der Strecke zu, die Kirche St. Coloman in Schwangau mit Blick auf Allgäuer Alpen und die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau. Gänsehautmoment Nummer zwei an diesem Tag. Anmutig steht die Barockkirche aus dem 17. Jahrhundert auf freiem Feld. Warum baut man hier eine Kirche ohne weitere Ansiedlung? Der irische Pilger Coloman soll genau an dieser Stelle im Jahr 1012 auf seiner Reise nach Jerusalem Rast gemacht haben, bevor er auf seinem Weg schon in Wien getötet und danach heilig gesprochen wurde. Anscheinend Grund genug, hier eine Kirche zu errichten.
Kurz hinter der Kirche überhole ich die zweitplatzierte Frau. Bemerkenswert, dass sie mir beim Überholen noch hinterherruft, dass es gut aussieht und ich so weiterlaufen soll. Danke, das ist nett. So ziemlich genau bei St. Coloman befindet sich auch der VP Km 30. Nur noch zwölf Kilometer locker nach Hause laufen. Langsam beginnen die Beine schwerer zu werden. Es geht etwas bergauf in ein Waldstück unter der Tegelbergbahn. Die Steigung ist nur leicht, aber man merkt sie. Ich bin froh, dass es nach dem Wald wieder bergab Richtung Schwansee geht. Jetzt beginnt der eigentliche Marathon. Die Beine werden richtig schwer. Durchhalten. Im Gegensatz zum Vorjahr läuft man nicht bis zum Touristenparkplatz von Schloss Neuschwanstein, sondern biegt schon vorher rechts zur Schleife um den Schwansee ab. Laut Pekka besser so, da man sich Trottel spart, die in Sehenswürdigkeitsgedanken verloren Läufer nicht sehend und Läufer nicht würdigend selbigen in Füssen vor den Füßen herum irren. Am Schwansee stehen drei Alphornbläser, die eine ganz besondere Stimmung am idyllisch gelegenen See erzeugen. Das Bild ist fast zu schmalzig, um wahr zu sein. Nach dem See gelangen wir auf die Straße, die von Schwangau nach Füssen führt. Ein Straßenschild zeigt an, noch zwei Km bis Füssen. Jetzt heißt es noch einmal zusammenreißen und zum Endspurt ansetzen. Leider ist die Luft raus. Für den Endspurt ist keine Kraft mehr da. Kurz vor Füssen wird das letzte Mal der Lech gequert, um direkt nach links für ein paar hundert Meter seinem Ufer zu folgen. Hundert Meter fühlen sich zu diesem Zeitpunkt wie ein Kilometer an. Es beginnt wieder zu regnen. Vor meinem inneren Auge sehe ich schon das Zielbier in meiner Hand. Als wir das Ufer verlassen folgt der einzige richtige Anstieg. Die letzten von insgesamt ca. 200 Höhenmetern werden in großen Schritten weggestampft. Oben angekommen führen die letzten Meter hinab ins Ziel. Da es jetzt wieder in Strömen regnet, ist es relativ leer. Kristina ist da und feuert mich auf den letzten Metern kräftig an. Geschafft, mit neuer PB.
Im Zielbereich gibt es das ersehnte Bier. Hier gibt es tatsächlich drei Biere zur Auswahl. In einem davon befindet sich sogar Alkohol. Das hatte ich noch nie in einem Zielbereich. So sind die Bayern. Dass es nun wie aus Eimern regnet, macht mir in diesem Moment nichts. Außer dem Bier gibt es noch eine super Kuchenauswahl und die üblichen Läufersnacks, Äpfeln und Bananen. Der Weg zu den Duschen ist beschwerlich, da man noch eine Treppe zu den Kabinen der Eishalle hinuntersteigt. Erfreulicherweise bin ich nicht der Einzige, dem man ansieht, dass er Marathon gelaufen ist. Das Bild treppensteigender Läufer wirkt doch recht amüsant. Frisch geduscht geht es dann zurück zum Marathonzelt, wo wir wieder Pekka und Hans-Jürgen treffen. Auch die beiden sind zufrieden mit ihren Zeiten. Im Zelt findet auch die Siegerehrung statt. Da es außer Siegerehrung auch eine Tombola für alle Marathonstarter gibt, ist das Zelt gut gefüllt. Alle machen sich Hoffnung auf den Hauptpreis, ein Fahrrad. Da alle drei ersten Plätze der Altersklassen geehrt werden, zieht sich die Siegerehrung in die Länge. Leider gewinnt keiner von uns einen der Einzelpreise. Dann entschädigt uns der 2. Platz bei der Teamwertung. Jawoll, unser Jubelschrei schallt durchs Zelt! So sehen Zweite aus … schalalala! Wir erhalten einen stilvollen Glaspokal und, noch viel besser, jeder ein Präsentkörbchen mit Bier, Heumilchkäse und Brot. Da hat sich doch die Plackerei gelohnt. Den zweiten Platz feiern wir im Anschluss gebührend bei Bier und gutem Essen in Nähe des Zielbereichs.
Da zu Mittag die Sonne herauskommt, steht dem lang geplanten Ausschwimmen im Alpseebad nichts entgegen. Außer, dass das Bad geschlossen hat. So suchen wir uns eine Badestelle am Wanderweg um den See. Der Alpsee hat mit 17° C das kälteste Wasser unserer sechs besuchten Badeseen um Füssen und ist für die geschundenen Muskeln eine Wohltat. So endet der Tag gemütlich bei bestem Sonnenschein. Die Folgetage haben wir auch alle volles Programm. Neben dem kulturellen Aspekt, wie der Besichtigung Schloss Neuschwansteins, sowie täglichem Schwimmen, haben wir Wanderungen unternommen. Erwähnenswert ist die Wanderung durch die Pöllatschlucht. Diese hat nach fünf Jahren Umbauzeit dieses Jahr wiedereröffnet und die neuen Metalltreppen im Fels können sich sehen lassen. Die Schlucht kann gut als Ausgangspunkt für eine Wanderung rund um den Tegelberg genutzt werden. Hat man einmal die Menschenmassen um Schloss Neuschwanstein und Marienbrücke hinter sich gelassen, wartet eine konditionell anspruchsvolle ,aber überaus lohnende Rundtour. Auch die Wanderung auf den „Sagengipfeln“ u.a. mit Gipfelblick vom Breitenberg in Pfronten ist auch bei praller Sonne sehr empfehlenswert. Der 1900 Meter hohe Berg kann über die Reichenbachklamm erstiegen werden. Was war noch der Unterschied zwischen Klamm und Schlucht? Keine Ahnung, jedenfalls fließt Wasser durch. Auf den Wanderungen, gerade bei Bergabpassagen, merkt man 1-2 Tage nach dem Marathon jeden Muskel. Natürlich darf auf den Gipfeln das Auffüllen der Flüssigkeitsreserven nicht zu kurz kommen. Die Bayern und ihr Bier. Ums leibliche Wohl kümmert sich hierbei einer unserer Lauftreffbetreuer, bei dem man sich schon fragte, wozu er bei einer Tageswanderung einen so großen Rucksack braucht. Gelernt ist gelernt!
Fazit: Fans von landschaftlich reizvollen Läufen sollten den Königsschlösser Romantikmarathon unbedingt laufen. Gerade durch die flache Streckenführung ist er gleichermaßen für Marathoneinsteiger sowie für Bestzeitjäger geeignet. Um die lange Anreise lohnenswert zu machen, sollte man den Lauf mit einigen Urlaubstagen verbinden. Fürs Gemeinschaftserlebnis sorgen die Laufkollegen vom TVH. Auf ein neues Event im nächsten Jahr!
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